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Vorgezogene Bundestagswahl 2025: Unsere Position

Reichstag an einem Wintertag.
(Foto: cmophoto / Unsplash)
13.11.2024
Arbeit

Bei der vorgezogenen Bundestagswahl 2025 geht es aus Sicht der IG BAU ganz zentral darum, den sozialen Zusammenhalt unserer Gesellschaft zu stärken.

Derzeit wird das Leben Vieler in Deutschland von großen politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Unsicherheiten geprägt.

Nach den Lockdowns der Corona-Pandemie folgten der Ukraine-Krieg mit seinen gravierenden wirtschaftlichen Konsequenzen auch für Deutschland, der Terror und Krieg im Nahen Osten sowie nicht zuletzt die rasanten Veränderungen, die zur Bewältigung des Klimawandels und der digitalen Herausforderungen angeschoben worden sind.

Mit dem Wahlergebnis in den USA und dem Aus für die Koalitionsregierung aus SPD, Bündnis90/Die Grünen und FDP treten weitere politische Unwägbarkeiten hinzu.

Viele Menschen fühlen sich diesen äußeren Einflüssen ausgeliefert. Eigene Handlungsmöglichkeiten im Rahmen unserer demokratischen Strukturen können oft nicht mehr das Gefühl vermitteln, dass sie ihr Leben selbstbestimmt gestalten können.
Sie haben im Alltag Sorgen über galoppierende Mieten, gestiegene Lebensmittel- und Energiepreise, sie stehen wegen maroder Autobahnbrücken auf dem Weg zur Arbeit im Stau oder warten auf dauernd verspätete Züge.

Am Arbeitsplatz fühlen sie sich von prekären Beschäftigungsformen im Umfeld, insbesondere von ausbeuterischen Arbeitsbedingungen oder von immer neuen Anforderungen der Digitalisierung in ihrer Handlungs- und Arbeitsplatzsicherheit bedroht.

Wer als Outdoor-Worker am Bau, in der Gebäudereinigung oder in der Landwirtschaft bei Wind und Wetter draußen arbeitet, spürt die Folgen des Klimawandels bei immer häufigeren Extremwetterlagen ganz unmittelbar.

Rechte Populisten mit einfachen und gesellschaftsspaltenden Antworten greifen diese Gefühlslage auf und erhalten ungeahnten Zulauf, nicht nur in Deutschland.

Gemeinsam mit der Mehrheit der Deutschen erteilen wir als IG BAU diesen nationalistischen Parteien eine klare Absage. Denn dumpfer Nationalismus hat noch nie ein Problem gelöst, sondern vielmehr unendliches Unheil verbreitet.

Rassismus, Antisemitismus und Sexismus am Arbeitsplatz werden von der IG BAU nicht toleriert. Wir fordern die Etablierung präventiver politischer Bildungsangebote als festen Bestandteil beruflicher Bildungskonzepte. Bundesweite Förderprogramme wie die "Initiative betriebliche Demokratiekompetenz", "Zusam-menhalt durch Teilhabe" und "Demokratie leben!" müssen dringend aufrechterhalten und weiter ausgebaut werden.

Angesichts des Zulaufs extremistischer Parteien ist es eine umso wichtigere politische Aufgabe aller Demokraten, mit festem Willen, klaren Aussagen und Durchsetzungsmacht die Alltagsprobleme der arbeitenden Mehrheit in Deutschland gemeinsam anzupacken.
Die als "die große soziale Frage unserer Zeit" titulierte Wohnungsnot in vielen Ballungszentren muss schnell gelindert werden, der gemeinnützige soziale Wohnungsbau muss deutlich stärker gefördert werden.

Gleichzeitig sind die Lebensverhältnisse im ländlichen Raum in den Blick zu nehmen und eine gute Anbindung an die soziale Infrastruktur und die Arbeitsplätze zu gewährleisten, damit Teilhabe und gutes Leben auch dort gelingen kann.

Der dringend notwendige zukunftsfeste Umbau unserer Wirtschaft muss noch stärker sozial gestaltet werden – gerade auch für die vielen Beschäftigten in kleinen und kleinsten Betrieben.

Prekäre Beschäftigung ist nicht nur eine Frage des Mindestlohns – es geht um gute und angemessene Vergütung, Arbeitsplatz-sicherheit, faire Arbeitszeiten, Mitbestimmungsmöglichkeiten, Gleichberechtigung sowohl der Geschlechter als auch von Migranten.

Tarifverträge sichern Arbeitsverhältnisse am besten, unterbinden Schwarzarbeit, gewährleisten demokratische Mitsprache am Arbeitsplatz und lösen damit die Probleme, die vor Ort am meisten unter den Nägeln brennen. Angesichts eines erschreckend niedrigen Grades an Tarifbindung gerade in kleinen und kleinsten Betrieben ist durch ein breites Maßnahmenbündel die Stärkung der Tarifverträge umso dringender geboten.

Die Verlässlichkeit unserer solidarischen, gesetzlichen Versiche-rungssysteme muss gestärkt werden – durch die Einbeziehung Aller und die eigenständige Absicherung beider Geschlechter im Rahmen einer Bürgerversicherung.

Die IG BAU setzt sich gemeinsam mit dem DGB für bessere Arbeits- und Lebensbedingungen in allen Branchen ein.

Speziell für die Beschäftigten in der Bauwirtschaft, der Baustoffindustrie, der Gebäudereinigung und der Landwirtschaft haben wir jedoch besondere Schwerpunkte:

1. Wir bauen fürs Leben: Baupolitik

a. Bezahlbaren Wohnungsbau stärken!

Im Jahr 2023 ist das Wohnungsdefizit in Deutschland auf über 800 000 Wohnungen angestiegen. Ein Drittel aller Mieter*innenhaushalte zahlen mehr als 30 Prozent ihres Einkommens fürs Wohnen und 11 Prozent der Bevölkerung leben mittlerweile in überbelegten Wohnungen.

Die Wohnungsdefizite betreffen vor allem die Bereiche des sozialen und bezahlbaren Wohnens, das heißt, es fehlen Wohnungen im Preisbereich zwischen 6 und 10 Euro Nettokaltmiete je Quadratmeter Wohnfläche.

Das Neubauziel der Bundesregierung von 400 000 Wohnungen jährlich, davon 100 000 öffentlich gefördert, wurde in keinem der vergangenen Jahre erreicht. Im Gegenteil: infolge des Zinssprungs und hoher Baukostensteigerungen ist die Auftragslage im Wohnungsbau seit 2022 deutlich eingebrochen und der Sozialwohnungsbau stagniert auf ungenügendem Niveau.

Der Wohnraummangel gefährdet nicht nur den gesellschaftlichen Zusammenhalt, soziale Mobilität und Arbeitsmärkte, sondern hemmt auch die wirtschaftliche Entwicklung: Denn jeder siebte Euro der gesamtwirtschaftlichen Bruttowertschöpfung und jeder siebte Arbeitsplatz stehen mit dem Wohnungsbau in Verbindung.

Die IG BAU fordert daher weitreichende Kurskorrekturen in der Wohnungsbaupolitik und eine Priorisierung des sozialen und be-zahlbaren, klimagerechten Wohnungsbaus:

  • Für den Bau von jährlich mindestens 100 000 Sozialwohnungen über vier Jahre sind durch Bund und Länder anteilig Finanzmittel in Höhe von 50 Milliarden Euro bereitzustellen. Als eine der langfristigen investiven Ausgaben ist die soziale Wohnraumförderung von der Schuldenbremse auszunehmen und grundgesetzlich abzusichern.
  • Für sogenannte "Schwellenhaushalte", die die Einkommensgrenzen des sozialen Wohnungsbaus knapp überschreiten, ist von Bund und Ländern ein Förderprogramm mit zinsverbilligten Darlehen für bezahlbaren Wohnungsbau aufzulegen. Gefördert werden sollen Wohnungen nach den Anforderungen des geltenden GEG mit langfristigen Mietpreisbindungen. Wohnungsbau in gemeinnütziger Trägerschaft sollte dabei vorrangig berücksichtigt und für dauerhaft preisgebundene Wohnungen ein Teil der Fördersumme als Investitionszuschuss gewährt werden.
  • Zur Unterstützung des sozialen und bezahlbaren Wohnungsbaus fordert die IG BAU die Ausweitung und Weiterentwicklung der Wohnungsgemeinnützigkeit, sodass diese auch für kommunale und kirchliche Wohnungsunternehmen sowie Genossenschaften attraktiver wird.
  • Die Bundesregierung hat die Eigentumsförderung im Rahmen des Förderprogramms "Klimafreundlicher Neubau" wieder aufgenommen. Die Fördersätze sind im Verhältnis zu den geforderten Einkommensgrenzen jedoch zu gering, um Schwellenhaushalte wirkungsvoll und gezielt zu unterstützen. Zudem ist das Programmvolumen zu gering. Für einen spürbaren Effekt müsste das Fördervolumen deutlich angehoben und auf weitere baukostensteigernde Anforderungen verzichtet werden.
  • Der Bund soll Länder und Kommunen mit angespannten Wohnungsmärkten beim Aufbau revolvierender öffentlicher Bodenfonds für sozialen und bezahlbaren Wohnungsbau unterstützen. Das heißt, dass Überschüsse aus Grundstücksgeschäften in den Bodenfonds verbleiben und für Ankauf und Entwicklung neuer Flächen genutzt werden sollen. Die Vergabe von öffentlichen Grundstücken für bezahlbares Wohnen und soziale Infrastruktur sollte nur noch im Konzeptverfahren, vorrangig im Erbbaurecht, erfolgen und eine dauerhafte soziale und ökologische Zweckbindung der Grundstücke vorsehen.
  • Um die Emissionsminderungsziele im Gebäudesektor zu erreichen, muss die energetische Sanierungsrate des Gebäudebestandes auf mindestens 2 Prozent jährlich gesteigert werden. Dazu ist eine Erhöhung und Verstetigung der Bundesförderung für energieeffiziente Gebäude (BEG) auf insgesamt 30 Mrd. Euro pro Jahr nötig, davon 10 Mrd. Euro zweckgebunden für die Sanierung von Mehrfamilienhäusern mit der schlechtesten Energiebilanz. Die Last der Modernisierungskosten muss zwischen Vermietern, Mietern und Staat gerecht verteilt und Wohnkostenüberbelastungen vermieden werden.

b. Klimaschutz und öffentliche Daseinsvorsorge stärken

Öffentliche Investitionen wurden in Deutschland in den letzten Jahrzehnten stark vernachlässigt und bleiben bis heute hinter dem Bedarf zurück. Dass die Infrastruktur unseres Landes auf Verschleiß gefahren wird, ist ein Problem sowohl für wirtschaftliches Wachstum als auch den gesellschaftlichen Zusammenhalt geworden.

Hinzu kommt, dass zur Erreichung der Klimaschutzziele deutliche Minderungen der CO2-Emissionen nötig sind, vor allem in den Bereichen Gebäude und Verkehr. Um dies zu bewältigen, brauchen wir eine langfristig angelegte, sozial-ökologische Investitionsoffensive, die auch die spezifischen Herausforderungen für Outdoor-Worker adressiert.

  • Hitzeausfallgeld – flexible soziale Absicherung gegen Arbeitsausfälle wegen Extremwetterlagen!
    Gerade für Beschäftigte in den IG BAU-Branchen, die vielfach draußen arbeiten und Wind und Wetter ausgesetzt sind, braucht es angesichts der durch den Klimawandel bedingt immer häufiger auftretenden Extremwetterlagen eine gute soziale Abfederung. Die dadurch ausfallende Arbeitszeit führt bei den Beschäftigten zu in der Tendenz immer größeren finanziellen Belastungen, die nicht ausgeglichen werden.
    Die IG BAU fordert deshalb die Einführung eines staatlich mitfinanzierten "Hitzeausfallgeldes". Vorbild für eine solche Regelung könnte das Saison-Kurzarbeitergeld sein. Auf erste tarifliche Regelungen wie im Dachdeckerhandwerk sollte so schnell wie möglich aufgesetzt werden, um den Beschäftigten eine klare Perspektive für ihre zukünftige soziale Absicherung in Zeiten des Klimawandels aufzuzeigen.
  • Qualifonds Bau: Mehr Weiterbildung für klimaneutrales Bauen und Sanieren ermöglichen
    Die Einhaltung der Klimaziele bringt neue Anforderungen an klimafreundliches Bauen mit sich. Diese müssen letztlich vor Ort durch Betriebe und Beschäftigten des Baugewerbes in höchster Qualität umgesetzt werden.
    Hierfür gibt es noch einen hohen Bedarf an Qualifizierung der Beschäftigten. Die bisherige Weiterbildungsförderung im SGB III ist eher auf die Bedarfe von größeren Unternehmen beziehungsweise Betrieben zugeschnitten. Die im Baugewerbe dominierenden Klein- und Kleinstbetriebe rufen die Förderung bislang kaum ab, obwohl gerade sie oft Unterstützung benötigen.
    Die IG BAU schlägt daher vor, die umlagebasierte Ausbildungsfinanzierung im Bauhauptgewerbe auf Weiterbildungsmaßnahmen auszudehnen und durch öffentliche Mittel aus der Weiterbildungsförderung zu ergänzen.
    Dazu muss die Weiterbildungsförderung nach § 82 SGB III auch für die Bezuschussung von branchenbezogenen, tariflich geregelten Weiterbildungen geöffnet werden.
    Die Sozialkassen in Baugewerbe und Bauhandwerk sollten dabei Befugnisse wie Antragsprüfung und Auszahlung übernehmen können und somit als "One-Stop-Shops" für Weiterbildung in der Bauwirtschaft fungieren.

Der Investitionsbedarf für die Infrastruktur und die Finanzierung der Transformation in Deutschland beläuft sich nach gemeinsamen Berechnungen von IW und IMK auf mindestens 600 Mrd. Euro. Vor diesem Hintergrund fordert die IG BAU:

  • Eine endgültige Abkehr von der "schwarzen Nul", das heißt, eine investitionsfreundliche Finanzpolitik und eine Verstetigung der öffentlichen Investitionen: Die Schuldenbremse blockiert dringend notwendige Zukunftsinvestitionen, bremst die Erholung der Wirtschaft aus und droht Klimaschutzziele gegen Sozialleistungen auszuspielen. Das darf nicht sein.
    Deshalb braucht es eine grundlegende investitionsfreundliche Reform der Schuldenbremse auf Bundes- und Länderebene. Öffentliche Investitionen mit einem langfristigen Nutzen – sowohl Ersatz- als auch Erweiterungsinvestitionen - müssen von der Schuldenbremse ausgenommen und über Kredite finanziert werden können. Dies würde zugleich Spielräume im Kernhaushalt zur Finanzierung wichtiger Aufgaben, um Beispiel für Bildung, Soziales und Gesundheit, ermöglichen.
    In einem ersten Schritt vor einer umfassenden Reform sollte die strukturelle Defizitgrenze des Bundes von derzeit 0,35 Prozent auf 1,5 Prozent des BIP angehoben werden und das Konjunkturbereinigungsverfahren investitionsfreundlich angepasst werden.
  • Weitere Unterstützung und Entschuldung der Kommunen: Trotz wachsender Ausgaben ist der Investitionsrückstand in die kommunale Infrastruktur im Jahr 2023 auf mindestens 186 Mrd. Euro angestiegen. Besonders gravierend ist der Nachholbedarf unter anderen in den Bereichen der Straßeninfrastruktur, Schulgebäude sowie bei der Modernisierung und energetischen Ertüchtigung von öffentlichen Gebäuden.
    Damit Kommunen weiter in ihre Infrastruktur investieren und die Daseinsvorsorge vor Ort garantieren können, sind nachhaltige Entschuldungshilfen sowie eine dauerhafte Verbesserung der kommunalen Finanzausstattung notwendig. Für die Finanzierung kommunaler Klimaschutz- und Klimaanpassungsmaßnahmen sollten sich Bund und Länder angemessen beteiligen.
  • Die Mittel für die Verkehrsinfrastruktur müssen bedarfsgerecht aufgestockt und ökologisch nachhaltig ausgerichtet werden. Zum Erhalt der Leistungsfähigkeit unserer Verkehrswege sowie zur Minderung der CO2-Emissionen im Verkehrssektor gibt es enormen Investitionsbedarf: Allein für Erhalt und Modernisierung der Bundesfernstraßen sind in den kommenden zehn Jahren circa 40 Mrd. Euro an nachholenden Investitionen notwendig. Die Modernisierung und der Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs erfordert – zusätzlich zur fortgesetzten Finanzierung des Deutschlandtickets - Investitionen von weiteren 30 Mrd. Euro. Mindestens 60 Mrd. Euro sind für Ausbau und Modernisierung der Bahninfrastruktur in den nächsten zehn Jahren notwendig. Hinzu kommen weitere Investitionen auf kommunaler Ebene zur Förderung des Fuß- und Radverkehrs. Für die klimafreundliche Transformation des Verkehrssektors ist die Einrichtung eines aus öffentlichen Mitteln gespeisten, verkehrsträgerübergreifenden Infrastrukturfonds zu prüfen.
  • Um einen kontinuierlichen Abfluss von Investitions- und Fördermitteln zu erreichen, braucht es zudem eine Vereinheitlichung und Vereinfachung von Planungs- und Genehmigungsverfahren, die medienbruchfreie Digitalisierung von Verwaltungsverfahren und eine bessere Personalausstattung in den Bau- und Planungsbehörden. Zu prüfen ist auch der Vorschlag, für solche Aufgaben kurzfristig einen zusätzlichen Pool an qualifizierten Fachkräften, zum Beispiel in einer bundeseigenen Beratungsgesellschaft zur Unterstützung der kommunalen Verwaltungen, zu schaffen.
  • Öffentlich-Private Partnerschaften (ÖPP) bei Infrastrukturprojekten haben die in sie gesetzten Erwartungen hinsichtlich Wirtschaftlichkeit und Risikominimierung für die öffentliche Hand in der Regel nicht erfüllt. Zudem können sie zur Umgehung sozialer Standards wie Tariftreueklauseln genutzt werden und bleiben für die Öffentlichkeit häufig intransparent. Eine Beschaffung durch öffentliche Stellen ist daher vorzuziehen.
  • Wir fordern bei allen öffentlichen Auftragsvergaben, dass die Zahlung von Tariflöhnen zwingend vorgeschrieben wird, zum Beispiel durch ein Bundestariftreuegesetz, und durch geeignete Vergabekriterien und Kontrollen sichergestellt wird, dass wichtige Kriterien "Fairer Arbeit" berücksichtigt werden (siehe im Detail unter Ziff. 2).
  • Wir fordern die finanzielle und personelle Förderung für den Wiederaufbau und den Erhalt der Wälder. Dies sichert und reaktiviert die Wirkung der Wälder als CO2 Filter und ist als natürliche Lebensgrundlage unabdingbar.

2. Tarifbindung stärken!

Entscheidend für unseren Sozialstaat bleibt, dass die Politik bessere Rahmenbedingungen für einen fairen Arbeitsmarkt schafft. Tarifverträge sichern faire Arbeit am besten. Deshalb fordert die IG BAU verschiedene Maßnahmen zur Stärkung der Tarifbindung – zu denen sind EU-Mitgliedstaaten entsprechend der 2022 in Kraft getretenen Mindestlohnrichtlinie ohnehin verpflichtet, wenn die tarifvertragliche Abdeckung unterhalb einer Schwelle von 80 Prozent liegt. In Deutschland waren im Jahr 2022 zuletzt – mit sinkender Tendenz – nur 51 Prozent der Arbeitnehmer*innen von Tarifverträgen erfasst.

Deshalb fordert die IG BAU insbesondere folgende Maßnahmen zur Stärkung der Tarifbindung:

  • Tariftreue und soziale und ökologische Kriterien sind für alle öffentlichen Aufträge im Sinne einer strategischen Ausrichtung bei der Verwendung öffentlicher Mittel zwingend vorzuschreiben. In einem Bundestariftreuegesetz ist das gesamte Tarifsystem des maßgeblichen Tarifvertrags einer Branche (zum Beispiel Entlohnung, Urlaubs- und Arbeitszeitregelungen) zu einem zwingenden Vergabekriterium zu erklären. Es braucht zudem für eine wirksame Umsetzung der Tariftreue effektive Kontroll- und Sanktionsmechanismen.
    Bei Unterauftragsvergaben ist die Länge von Subunternehmerketten auf höchstens zwei Glieder zu begrenzen. Zudem müssen die Subunternehmen wenigstens einen Teil des Auftrages selbst mit eigenen Beschäftigten ausführen. Bei öffentlichen Auftraggebern ist zusätzlich sicherzustellen, dass bereits bei Angebotsabgabe die Namen der ggf. zu beauftragenden Subunternehmen verbindlich genehmigt werden und die Auftraggeberhaftung auf staatliche Auftraggeber ausgedehnt wird. Präqualifizierungssysteme mit Prüfung der Tariftreue müssen in das Vergabeverfahren Eingang finden.
  • Auch staatliche Zuwendungen, Fördermittel und Wirt-schaftshilfen müssen an die Einhaltung von Tarifverträgen gekoppelt werden. Insbesondere soll die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) bei der Förderung von Privatpersonen und Unternehmen soziale Nachhaltigkeitsstandards wie zum Beispiel Zahlung von Tariflöhnen und Gesundheitsschutz als Fördervoraussetzungen anwenden.
  • Das Engagement von Arbeitnehmer*innen in Gewerkschaften für faire Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen muss besser gefördert werden. Deshalb fordern wir spürbare steuerliche Vorteile für die Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft, der Gewerkschaftsbeitrag sollte zusätzlich zum Arbeitnehmer-pauschbetrag voll steuerlich absetzbar sein.
  • Beschäftigte trauen sich oft nicht, gegen Rechtsverstöße ihres Arbeitgebers zu klagen oder auch nur eine Klage anzudrohen. Deswegen benötigen wir als Gewerkschaft ein Verbandsklagerecht. Dann können wir gegen Verstöße klagen oder dies androhen.
  • Eine Stärkung der Allgemeinverbindlicherklärung ist notwendig. Neben bundesweit geltenden Tarifverträgen müssen im Arbeitnehmerentsendegesetz (AEntG) auch regionale Tarifverträge für allgemeinverbindlich erklärt werden können.
    Die IG BAU fordert eine Reform des Verfahrens zur Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen. Die Reformen der Vergangenheit reichen nicht aus, um die Tarifbindung spürbar zu stärken. Insbesondere muss die weiterhin bestehende Veto-Möglichkeit der Arbeitgeber*innen im Tarifausschuss abgeschafft werden: Der Abstimmungsmodus im Tarifausschuss muss so verändert werden, dass ein Antrag, der von beiden Tarifvertragsparteien gemeinsam eingebracht wurde, nur mit einer Mehrheit abgelehnt werden kann.

Im Zuge dessen ist auch die sogenannte konditionierte AVE gesetzlich zu verankern, um Tarifverträge mit Differenzierungsklauseln für allgemeinverbindlich erklären zu können. Das bedeutet, dass die Allgemeinverbindlichkeit nur "einseitig" die fehlende Tarifbindung auf Arbeitgeberseite ersetzt, auf Arbeitnehmerseite jedoch die Gewerkschaftsmitgliedschaft gerade vorausgesetzt wird.

Dies lässt Anreize für den Gewerkschaftsbeitritt auch bei der Allgemeinverbindlichkeit wirksam werden.

3. Schwarzarbeit effektiv bekämpfen

Nach wie vor stellt Schwarzarbeit, also die Beschäftigung ohne Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen und Steuern, ohne Zahlung eines angemessenen Lohnes für jede gearbeitete Stunde, ohne Einhaltung verbindlicher Mindestlöhne in vielen IG BAU-Branchen ein gravierendes Problem dar.

Hierunter leiden nicht nur die Beschäftigten. Schwarzarbeit entzieht zugleich den Sozialversicherungen und dem Staat Mittel zur Erfüllung ihrer Aufgaben und schadet damit letztlich allen Menschen in Deutschland.

Vor diesem Hintergrund fordert die IG BAU vordringlich folgende Maßnahmen zur Bekämpfung von Schwarzarbeit:

a. Elektronische Zeiterfassung verbindlich machen!

Ein wichtiger Schritt zur Bekämpfung illegaler Beschäftigung ist die konsequente Umsetzung der Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesarbeitsgerichts zur Arbeitszeiterfassung. Was beide Entscheidungen anmahnen muss endlich rechtssicher eingeführt werden: ein objektives, verlässliches und leicht zugängliches System zur Zeiterfassung. Denn eine häufige Form der illegalen Beschäftigung besteht darin, dass nur ein Teil der von den Beschäftigten tatsächlich geleisteten Stunden dokumentiert und dem Entgelt und den Meldungen an die Sozialversicherungsträger und Steuerbehörden zugrunde gelegt werden.

Damit werden nicht nur den Sozialversicherungsträgern Beiträge vorenthalten und Steuern nicht abgeführt. Es wird zugleich häufig sehr viel länger als dokumentiert gearbeitet. Mit überlangen Arbeitszeiten steigt für die Beschäftigten nachgewiesenermaßen exponentiell das Risiko für Arbeitsunfälle und berufsbedingte Krankheiten.

Branchenweite elektronische Zeiterfassungssysteme, die Arbeits- und Pausenzeiten sowie den Arbeitsort fair und fälschungssicher dokumentieren, sind ein zentraler Baustein zur Bekämpfung illegaler Beschäftigung und Schwarzarbeit. Dies kann etwa über eine Smartphone App erfolgen. Es ist daher ein gesetzlicher Rahmen zu schaffen, der die Einführung solcher Systeme unter Mitwirkung der Tarifvertragsparteien, insbesondere auch über gemeinsame Einrichtungen, fördert.

Eine elektronische Zeiterfassung bietet vor allem den Beschäftigten in Branchen, in denen typischerweise nicht stationär im Betrieb des Arbeitgebers gearbeitet wird (zum Beispiel in der Bauwirtschaft, der Gebäudereinigung oder der Agrarwirtschaft) die Möglichkeit, dass ihre Arbeitszeiten richtig erfasst und Überstunden bezahlt werden.

Die Arbeitszeiterfassung muss dabei selbstverständlich datenschutzkonform und unter Einhaltung von Mitbestimmungsrechten ausgestaltet sein, um eine missbräuchliche Verwendung zur Arbeitnehmerüberwachung zu verhindern.

b. Voller Sozialversicherungsschutz für Minijobs, "70-Tage-Regelung" bei geringfügiger Beschäftigung abschaffen!

Die Regelung, nach der Minijobs und kurzfristige geringfügige Beschäftigung (die sogenannte 70-Tage-Regelung) unter gewissen Umständen am Arbeitsort sozialversicherungsfrei sind, führt in der Praxis dazu, dass sehr viele Minijober*innen und Saisonbeschäftigte gerade in der Gebäudereinigung und Landwirtschaft unzureichend sozialversichert sind.

Dies hat einen mangelnden Sozialschutz der Beschäftigten zur Folge, der auch erheblich zur Verbreitung von Altersarmut beiträgt.

Die IG BAU plädiert daher für eine ersatzlose Streichung der 70-Tage-Regelung zur kurzfristigen geringfügigen Beschäftigung sowie die Abschaffung der beitrags-, sozial- und steuerrechtli-chen Besonderheiten für Minijobs. Bei der Umwandlung bestehender Minijobs in sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse sollen Nettolohnverluste für Beschäftigte durch Einführung eines steuerlichen Entlastungsbetrags weitestgehend vermieden werden.

c. Effiziente Prüfungen durch die Kontrollbehörden ermöglichen!

Nach wie vor reicht der behördliche Kontrolldruck nicht aus, um wirksam Schwarzarbeit zu unterbinden. Die Kontrollbehörden, insbesondere die Finanzkontrolle Schwarzarbeit, müssen endlich personell aufgestockt werden, um auch tatsächlich in einem relevanten Umfang Kontrollen durchführen zu können.

Zudem müssen die unterschiedlichen staatlichen Stellen, die für die Kontrolle und Durchsetzung von Arbeitnehmerrechten sowie Sozialrechts- und Steuervorschriften zuständig sind, konzertierter zusammenarbeiten und kontrollieren. Perspektivisch muss eine Arbeitsinspektion aufgebaut werden, die eine koordinierte und effiziente Kontrolle der Einhaltung der gesetzlichen Arbeitnehmerrechte, einschließlich der Zahlung von Mindestlöhnen, sowie von Sozialrechts- und Steuervorschriften als übergeordnete Behörde sicherstellt.

Vielfach handelt es sich bei illegal Beschäftigten um Staatsangehörige aus anderen EU-Staaten oder aus Drittstaaten. Aufgrund dieser grenzüberschreitenden Dimension der Schwarzarbeit, ist eine verbesserte Zusammenarbeit mit der Europäischen Arbeits-behörde (ELA) unerlässlich. Diese Zusammenarbeit muss insbesondere eine Ausweitung grenzüberschreitender gemeinsamer und koordinierter Kontrollen und den verbesserten Austausch von Daten zwischen den Behörden umfassen.

d. Generalunternehmerhaftung auf die Auftraggeber ausweiten

Die Generalunternehmerhaftung muss auf Auftraggeber ausgeweitet werden. Dann gibt es einen starken ökonomischen Anreiz für Auftraggeber zu prüfen, ob die Unternehmen, die sie mit der Erbringung von Werk- oder Dienstleistungen beauftragen auch tatsächlich ihren Verpflichtungen zur Zahlung von Mindestentgelten und Beiträgen zur Sozialversicherung nachkommen.

Die Folgen einer fehlenden Auftraggeberhaftung zeigen sich derzeit besonders beim Glasfaserausbau. Unternehmen wie die Telekom, Vodafone und Deutsche Glasfaser beauftragen Unternehmen mit der Verlegung von Glasfaserleitungen, die wiederum weitere Subunternehmen mit der Ausführung beauftragen. In diesen Subunternehmerketten (siehe hierzu unter Punkt 4.) kommt es besonders häufig vor, dass geschuldete Entgelte nicht gezahlt oder Beiträge zur Sozialversicherung nicht entrichtet werden.

Die Ausweitung der Generalunternehmerhaftung würde den betroffenen Arbeitnehmern sowie den Sozialversicherungen einen weiteren Schuldner für die ihnen zustehenden Entgelte beziehungsweise die Sozialversicherungsbeiträge verschaffen und zudem dazu führen, dass Auftraggeber die von ihnen beauftragten Unternehmen genauer kontrollieren.

Um wenig solvente private Auftraggeber vor Haftungsrisiken zu schützen, könnte die Auftraggeberhaftung auf Unternehmen beschränkt werden.

e. Begrenzung der Subunternehmerkette

Die Weitervergabe von Aufträgen an Sub- und Subsubunternehmer muss begrenzt werden. Ein von einem Generalunternehmer beauftragtes Subunternehmen sollte den Auftrag nicht weitergeben dürfen. Denn die derzeitige Praxis der Subvergabe von Aufträgen führt zu großer Intransparenz.

So sind im Glasfaserausbau zahlreiche Fälle bekannt, in denen die Beschäftigten nicht den Generalunternehmer oder den Auftraggeber kennen und umgekehrt auch die Auftraggeber nicht ausreichende Informationen über die Arbeitsbedingungen bei der Verlegung der Glasfaser durch die Subunternehmer haben.

Im Rahmen öffentlicher Auftragsvergabe sollte zusätzlich sichergestellt werden, dass bereits bei der Angebotsabgabe die Namen der ggf. zu beauftragenden Subunternehmen verbindlich genehmigt werden.

4. Beschäftigte aus Drittstaaten schützen

a. Beschäftigung nur zu tariflich geregelten Arbeitsbedingungen

In der Landwirtschaft und im Baugewerbe werden häufig auch Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus Drittstaaten beschäftigt. Aufgrund ihres Aufenthaltsstatus und fehlender Sprach- und Rechtskenntnisse ist diese Gruppe besonders verletzlich.

Schreckliche Unfälle, wie in der Hamburger Hafencity im Oktober 2023, bei dem vier albanische Bauarbeiter starben, sind nur die Spitze des Eisbergs.

Beschäftigte aus Drittstaaten verdienen Schutz vor diesen Rechtsverletzungen. Hierzu müssen die aufenthaltsrechtlichen Regelungen so geändert werden, dass Beschäftigte aus Drittstaaten nur zu fairen und tarifvertraglich geregelten Arbeitsbedingungen beschäftigt werden dürfen. Dies betrifft insbesondere die sogenannte Westbalkanregelung. Eine Beschäftigung aufgrund dieser Regelung darf nur noch bei tarifgebundenen Unternehmen erfolgen.

Zudem müssen in ausreichendem Maß Kontrollen erfolgen, ob die Beschäftigungsbedingungen auch tatsächlich eingehalten werden.

b. Voller Krankenversicherungsschutz für Saisonarbeiter

Im Rahmen der sogenannten "kurzfristigen Beschäftigung", deren Abschaffung die IG BAU grundsätzlich fordert, werden in der Landwirtschaft und anderen Branchen mit saisonal schwankendem Arbeitskräftebedarf Menschen beschäftigt, ohne dass der Arbeitgeber Sozialversicherungsbeiträge zur Kranken-, Renten, Arbeitslosen und Pflegeversicherung abführen muss. Es besteht lediglich eine Beitragspflicht zur Unfallversicherung.

Zwar müssen Arbeitgeber von kurzfristig Beschäftigten seit dem 1. Januar 2022 das Vorliegen eines Krankversicherungsschutzes der Minijob-Zentrale zu melden. Um dieser Verpflichtung nachzukommen, schließen Arbeitgeber häufig eine private Gruppenkrankenversicherung für die kurzfristig Beschäftigten ab. Hierdurch wird allerdings weder ein ausreichendes Leistungsspektrum in der Behandlung für die Beschäftigten noch ein vom Arbeitgeber unabhängiger Zugang zu medizinischer Versorgung sichergestellt.

Die gewerkschaftlichen Beratungsstellen berichten seit Jahren vor allem in der Erntezeit von unhaltbaren, menschenunwürdigen Beschäftigungsformen und gravierenden Missständen, die durch unzureichenden Krankenversicherungsschutz verschärft werden.
Wegen der Dringlichkeit der Behebung dieser sozialen Missstände fordert die IG BAU als erste Sofortmaßnahme, dass unverzüglich sämtliche Saisonbeschäftigten, die nicht nachweislich im Herkunftsland krankenversichert sind, zumindest dem gesetzlichen Krankenversicherungsschutz unterliegen.

c. Unterkunftsbedingungen verbindlicher regeln

Beschäftigte im Baugewerbe und der Landwirtschaft, insbesondere diejenigen, die aus Drittstaaten nach Deutschland kommen, erbringen ihre Arbeitsleistung oftmals weit entfernt von ihrem Wohnort. Für mobile Beschäftigte hat daher die Unterkunft an ihrem Arbeitsort eine große Bedeutung. Diese Unterkünfte weisen nicht immer eine Beschaffenheit auf, die eine menschenwürdige Unterbringung sicherstellt. Zudem werden überhöhte Mieten genutzt, um Mindestlöhne zu umgehen.

Aus diesem Grund fordert die IG BAU verbindliche Mindeststandards für Unterkünfte für mobil Beschäftige. Für vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellte Unterkünften müssen verbindliche Mindeststandards z.B. hinsichtlich Belegung der Zimmer, Größe der Unterkünfte, Sanitäranlagen, Hygiene und Schutz vor schädlichen Umwelteinflüssen (z.B. großer Hitze oder Kälte) gelten. Diese Voraussetzungen an die Unterkünfte müssen unabhängig davon erfüllt sein, wo die Unterbringung erfolgt (z.B. Wohnungen, Pensionen oder Bauarbeiterunterkünfte) und ob sie unmittelbar oder nur mittelbar vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellt werden. Die Einhaltung der Standards muss streng kontrolliert werden.

Überdies sind bei mobil Beschäftigten, die vom Arbeitgeber veranlasst werden, fernab ihres Wohnsitzes zu arbeiten, grundsätzlich die Kosten für die Unterkunft vom Arbeitgeber zu tragen; jedenfalls dürfen Mietzahlungen für die Unterkünfte nicht überhöht sein und die Mietzahlungen nicht an die Zahlung der Löhne gekoppelt werden.

5. Flexible und sichere Übergänge in die Rente schaffen!

Bis 67 arbeiten - das schaffen viele Beschäftigte in den IG BAU-Branchen nicht.

Wir brauchen flexible und abgesicherte Übergänge von der Arbeit in die Rente vor der Regelaltersgrenze, die auch bei Beschäftigten mit belastenden Tätigkeiten, in Kleinbetrieben und mit unterdurchschnittlichen Einkommen funktionieren. Die IG BAU fordert dafür staatliche Unterstützung für das Altersflexi-Geld: Eine neue Art Kurzarbeitergeld für Beschäftigte, die nachweislich aus gesundheitlichen Gründen ihre bisherige Tätigkeit nicht mehr (oder nicht mehr vollschichtig) ausüben können und denen eine Kündigung droht. Zielgruppe sind Beschäftigte zwischen 58 und 63 Jahren mit langer Branchenzugehörigkeit. Finanziert werden soll das Altersflexi-Geld von Staat und Tarifvertragsparteien gemeinsam, etwa wie die Regelungen zum Saison-Kurzarbeitergeld. Dafür fordern wir eine ausreichende staatliche Beteiligung.

Alternativ sind auch spezielle Regelungen in der gesetzlichen Rentenversicherung denkbar, zum Beispiel für belastende berufliche Tätigkeiten ähnlich den in Österreich praktizierten Verfahren.

6. Stärkung der gesetzlichen Rente, Ausbau zur Bürgerversicherung!

Nach wie vor sind viele Beschäftigte in IG BAU-Branchen von Niedrigrenten bedroht, die ihren Lebensstandard im Alter nicht mehr sichern können. Gerade in den IG BAU-Branchen schaffen es viele aufgrund der hohen Belastung durch harte Arbeit nicht bis zur Regelaltersgrenze von 67 Jahren.

Diskussionen über eine weitere Anhebung des Renteneintrittsalters erteilt die IG BAU eine klare Absage. Denn das würde für die Betroffenen faktisch unzumutbare Rentenkürzungen bedeuten.

Das Niveau der gesetzlichen Rente muss daher wieder angehoben werden. Die jüngste Stabilisierung des Rentenniveaus bis 2039/2040 durch ein gesetzlich verbindliches Mindestsicherungsniveau und die Festlegung eines Leistungsziels von 48 Prozent stabilisiert das Rentenniveau zwar für weitere 15 Jahre. Die IG BAU fordert aber, das Niveau dauerhaft zu stabilisieren und auf mindestens 50 Prozent zu erhöhen. Es muss einen echten Paradigmenwechsel hin zu einem definierten Leistungsniveauziel geben. Dazu muss die Rentenanpassungsformel selbst geändert werden. Die gerechte Finanzierung der notwendigen Ausgaben muss sichergestellt werden.

Das Generationenkapital ist keine gute Idee, um die Rente finanziell zukunftssicher aufzustellen. Es ist eine risikoreiche Wette auf die Zukunft und schafft dort Unsicherheit, wo Beschäftigte Sicherheit brauchen; im schlimmsten Fall belasten die negativen Folgen künftige Generationen. Was sich komplett verbietet ist eine Abhängigkeit des Rentenniveaus vom Aktienmarkt und Kürzungen beim Bundeszuschuss. Es ist nicht akzeptabel, dass die nachhaltige Finanzierung einer guten Rente einer wachstumsfeindlichen Schuldenbremse geopfert wird.

Wir brauchen außerdem endlich einen Einstieg in die Fortentwicklung unseres Rentensystems zu einer Bürgerversicherung, auch um die Beitragsbasis der gesetzlichen Rentenversicherung auszuweiten. Solo-Selbständige müssen daher regulär in die gesetzliche Rentenversicherung einbezogen werden. Gesamtgesellschaftliche Verpflichtungen wie z.B. die Erziehung von Kindern und die Pflege von Angehörigen müssen bei der Rente angemessen anerkannt und aus Steuermitteln finanziert werden. Zur Finanzierung der Rentenversicherung müssen deshalb die Steuerzuschüsse deutlich erhöht und Einkünfte aus Unternehmertätigkeit und Vermögen herangezogen werden.

Wofür steht eigentlich die IG BAU und wofür setzen wir uns ein? Unser Video gibt Antwort.

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