Jürgen Bolduan
(Foto: zplusz/Barbara Hötzel)
31.10.2023
E wie Ehrenamt

"Ich will aktiv mitgestalten": Seit 70 Jahren gibt es einen Betriebsrat beim Pflanzenzüchtungsunternehmen KWS SAAT SE & Co. KGaA in Einbeck, und schon fast 30 Jahre lang ist Jürgen Bolduan ein Teil davon – seit 2010 als Vorsitzender. Im Bezirksverband Niedersachsen-Süd der IG BAU engagiert er sich zusätzlich als stellvertretender Bezirksvorsitzender.

"Als wir unser Betriebsratsjubiläum Anfang des Jahres vorbereitet haben, ist mir erst bewusst geworden, wie lange ich schon dabei bin. Wenn man immer nach vorne schaut, denkt man daran gar nicht“, sagt Jürgen, der erst der vierte Betriebsratsvorsitzende in 70 Jahren bei KWS ist. "Vor allem profitiert man von der langen Erfahrung und dem großen Wissen bei den vielen Themen."

Bei der KWS hat Jürgen 1987 nach der Bundeswehr als Saisonarbeiter im Bereich Zuckerrübenproduktion angefangen: "Das war mein erster Kontakt mit der Landwirtschaft, ich komme aus einer klassischen Arbeiterfamilie." Im Schichtbetrieb bediente und überwachteer die Anlagen in den verschiedenen Prozessen der Saatgutaufbereitung. Nach zehn Jahren wechselte Jürgen in die innerbetriebliche Logistik: "Dort habe ich auch ein kleines Team geführt, das hat riesig Spaß gemacht. Und es macht nach wie vor Spaß, für die KWS zu arbeiten!"

1994 wurde Jürgen erstmals in den Betriebsrat gewählt, 2006 wurde er stellvertretender Vorsitzender und 2010 erstmals Vorsitzender. "Es war nicht mein erklärtes Ziel, freigestellter Betriebsrat zu sein, das hat sich einfach so entwickelt", meint Jürgen. Der erste Betriebsrat, 1953 von den 252 Wahlberechtigten der "Klein Wanzlebener Saatzucht" gewählt, bestand aus sieben Mitgliedern. Inzwischen kümmert sich ein 17-köpfiges Gremium am Standort Einbeck um die Belange von rund 1700 Beschäftigten. Insgesamt betreuen vier BR-Gremien alle zwölf Standorte von KWS in Deutschland mit rund 2300 Beschäftigten.

In den vergangenen Jahren haben Jürgen und seine BR-Kolleg*innen viele Betriebsvereinbarungen angepasst und neue abgeschlossen, etwa zu Arbeitszeit, Urlaub, Dienstreisen oder Altersteilzeit. Die betriebliche Gesundheitsförderung ist dem Betriebsrat ein sehr wichtiges Anliegen und wird sogar durch das Gremium verantwortet. Aktuelle Themen sind Künstliche Intelligenz (KI), Digitalisierung und vor allgemein genereller Arbeitskräftemangel, denn Pflanzenzüchtung ist immer noch viel Handarbeit. "Wir haben als Betriebsrat ein stark unternehmerisches Denken. Wenn es dem Betrieb gut geht, geht es auch den Beschäftigten gut", erklärt Jürgen.

Familienvater mit vielen Ehrenämtern

In die Gewerkschaft, damals noch die Gewerkschaft Gartenbau, Land- und Forstwirtschaft (GGLF), ist Jürgen 1994 während seiner Kandidatur zum Betriebsrat eingetreten. Seit 2004 engagiert er sich im IG BAU-Bezirksvorstand, wurde 2022 zum stellvertretenden Bezirksvorsitzenden gewählt. "Ich will mich für die Belange von Arbeitnehmer*innen über unser Unternehmen hinaus einsetzen und aktiv mitgestalten." Schnell kam er als junger Gewerkschafter in die KWS-Tarifkommission – einen Haustarifvertrag hat die KWS bereits seit Anfang der Fünfzigerjahre. "Wir haben in den letzten Jahren viele gute Ergebnisse für die Beschäftigten erreicht, mit vielen eigenen Ideen. Zum Beispiel die jährliche dividendenabhängige Einmalzahlung, die die Beschäftigten jetzt zum Teil in Freizeit umwandeln können. Besonders wichtig ist uns auch immer eine Stärkung der Saisonkräfte und unteren Entgeltgruppen."

Weitere Ehrenämter hat Jürgen als Richter im Landesarbeitsgericht Hannover, als Mitglied im Verwaltungsrat der BKK Technoform und als Arbeitnehmervertreter in der Landwirtschaftskammer Niedersachsen. Doch bei all dem Engagement ist ihm vor allem eines wichtig: "Meine Familie wird momentan immer größer, zwei Kinder und erste Enkel. Die Familie steht für mich im Vordergrund, und ihr widme ich meine freie Zeit."

Text: Cordula Binder
Der Artikel ist ursprünglich in der September-Ausgabe des Grundstein erschienen.